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Auch wenn Konflikte grundsätzlich Entwicklungspotenzial für alle Beteiligten bieten, so sind sie doch zunächst einmal ein Störfaktor, den es zu überwinden gilt. Eine Möglichkeit ist die Methode des sachgerechten Verhandelns. Dieses sogenannte Harvard Konzept geht auf die US-amerikanischen Wissenschaftler Roger Fisher und William L. Ury zurück. Ziel dieses Konzeptes ist es, eine friedliche und konstruktive Einigung mit einem Win-Win-Ergebnis zu erzielen. Wie das funktioniert und welchen Prinzipien das Harvard Konzept folgt – lesen Sie mehr!

Konflikte entstehen durch personenbezogenes Handeln

Eines haben Konflikte und Verhandlungen gemeinsam: Immer sind sie personenbezogen. Es ist das Ego der am Konflikt oder an den Verhandlungen beteiligten Personen, das sich mit der im Konflikt oder in der Verhandlung vertretenen Position identifiziert und es zu einem persönlichen Angriff werden lässt. Meistens werden die personenbezogenen Aspekte übergangen und nicht gelöst, da konstruktive Konfliktlösungen Mangelware sind. Dadurch verschärft sich die Situation, bis entweder die Lage eskaliert und eine Person zum Sündenbock abgestempelt wird, oder die Verhandlungen ergebnislos scheitern. Das Harvard Konzept bietet eine konkrete Anleitung, um Konflikte einfacher zu lösen.

Das Harvard Konzept als Prinzip des sachbezogenen Handelns

Das Harvard Konzept stellt das personenbezogene Handeln zugunsten des sachbezogenen Handelns zurück. Als Leitlinie sind 4 Prinzipien entstanden, die ein Wegweiser für die Konfliktlösung und für erfolgreiches Verhandeln sind:

Prinzip1:

Unterscheide strikt zwischen der Beziehung der Verhandlungspartner und dem eigentlichen Verhandlungsgegenstand.

Dem ersten Prinzip liegt das Problem zugrunde, dass wenn Menschen miteinander verhandeln, oftmals Sachprobleme mit persönlichen Beziehungen zueinander verknüpft werden. Das kann dazu führen, dass eine sachliche Feststellung als beleidigend oder als Vorwurf aufgefasst wird.

Das erste Prinzip beinhaltet deshalb die Aufforderung, Beziehungsprobleme zu erkennen und sie von den Sachproblemen getrennt zu behandeln. Die praktische Konsequenz aus dieser Aufforderung ist, dass Beziehungsprobleme beziehungsweise persönliche Probleme zwischen den Beteiligten bereinigt werden sollten, bevor die Bearbeitung und Lösung der Sachprobleme beginnt. Eine andere Variante ist, eine Vereinbarung zu treffen, während der Vertragsverhandlungen das Gegenüber weder als Freund noch als Feind wahrzunehmen, sondern als Partner, mit dem die Lösung eines Konflikts herbeigeführt wird. Dazu gehört auch, Angriffe auf Verhandlungspartner zu unterlassen.

Prinzip 2:

Konzentriere Dich nicht auf die Positionen der beteiligten Parteien, sondern auf die dahinter liegenden Interessen.

Das hinter dem zweiten Prinzip liegende Problem ist, dass Positionen und Meinungen häufig von stillen Beweggründen motiviert sind, die sehr vielschichtig sein können und die die Basis für Verhandlungspositionen sind.

Deshalb geht es in der Konfliktlösung nach dem Harvard Konzept zunächst darum, die eigenen Interessen sachlich offen darzulegen, ohne dass Position bezogen wird. Gleiches gilt für die Gegenseite, deren Positionen in Bezug auf die dahinter liegenden Interessen hinterfragt werden sollten.

Prinzip 3:

Entwickle zunächst so viele Optionen wie möglich und entscheide später.

Wer sich vor einer Verhandlung die eigenen Interessen und Ziele bewusst macht und sich damit auseinandersetzt, welche möglichen Interessen und Ziele das Gegenüber verfolgt, ist eher in der Lage, bei konträren Positionen Lösungen und Alternativen zu finden, die die Interessen beider Verhandlungsparteien berücksichtigen und ihnen gerecht werden. Hier ist Kreativität gefragt. Denn es geht darum, gemeinsam möglichst viele Optionen und Lösungswege zu erarbeiten und nicht über die einzig richtige Lösung zu grübeln.

Das dritte Prinzip besagt auch, dass nicht die erstbeste Lösung die einzig richtige ist. Stattdessen geht es darum, möglichst viele Lösungen, Modelle und Varianten für die Lösung des Konflikts zu suchen. Wichtig ist dabei, auch nach Lösungen und Optionen zu suchen, die den Interessen der Gegenpartei gerecht werden. Eine Stellungnahme im Sinne einer Zustimmung oder einer Ablehnung sollte so lange aufgeschoben werden, bis das Kreativitätspotenzial aller an den Verhandlungen beteiligten Personen ausgeschöpft ist.

Prinzip 4:

Löse Interessenkonflikte, indem objektive Kriterien hinzugezogen werden.

Liegen erst einmal kreativ erarbeitete Lösungswege auf dem Tisch, muss schließlich eine Entscheidung getroffen werden. Doch die endgültige Entscheidung sollte auf der Grundlage objektiver und fairer Kriterien fallen. Außerdem müssen die Inhalte der Entscheidung sowie ihre Umsetzung praktisch auch durchführbar sein.

Das vierte Prinzip des Harvard Konzepts beinhaltet die Aufforderung, nach allgemeingültigen Normen, Rechtsgrundsätzen und Werten zu suchen, die aus bestimmten Gründen als objektive Entscheidungskriterien verwendet werden können:

– Ein wichtiger Grund ist, dass objektive Kriterien von den subjektiven Interessen der an den Verhandlungen oder am Konflikt beteiligten Parteien unabhängig sind.
– Der zweite Grund ist, dass allgemeingültige Normen, Rechtsgrundsätze und Werte für alle an den Verhandlungen beteiligten Parteien gültig und damit verbindlich sein können.

 

Nicht immer bringen nach dem Harvard Konzept geführte Verhandlungen und Konfliktlösungen das gewünschte Ergebnis. Deshalb ist es wichtig, vorher mögliche Alternativen zu erarbeiten. Diese Alternativen werden von den Autoren des Harvard Konzepts BATNA (Best Alternative To Non-Agreement) genannt. Wer einen guten Alternativplan in der Tasche hat, stärkt seine Verhandlungsposition und erhöht seine Unabhängigkeit.